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Wiedersehen nach 10 Jahren: Kita Kirchendeller Weg in Mettmann

Vor 2 Wochen erreichte mich eine Mail mit einer Einladung: 10 Jahre Kindertagesstätte Kirchendeller Weg in Mettmann soll gefeiert werden. Sofort kamen Bilder in meinen Kopf, Namen der Menschen, mit denen ich fast 3 Jahre eng zusammengearbeitet habe und das Lachen der Kinder, die bei der Einweihung durch die Räume tobten – 2014! Nach dem ich die Mail gelesen hatte, habe ich das Skizzenbuch, was ich damals in der Planungsphase immer dabei hatte, herausgesucht und erstmal geblättert.

Sommerfest anlässlich des 10jährigen Bestehens, Freitag 21. Juni 2024

Ein Leuchtturmprojekt meiner Karriere – und das Ganze noch 10 Jahren wieder zu sehen, hat mich emotional sehr berührt. Mir ist noch einmal klar geworden, was das für ein tolles Projekt war. Was für eine super Planungszeit wir im Team hatten und welche Bedeutung es auch für mich und meine weitere Arbeit hatte. Und deshalb habe ich mich entschlossen, darüber zu berichten. Denn zu der Zeit hatte ich noch keinen Blog – und bloggen fasst zusammen und betrachtet alles noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive: eben mit einem Abstand von 10 Jahren!

4 x außergewöhnlich

Als freischaffende Innenarchitektin habe ich für das Büro Monse, Molnar & Partner an diesem außergewöhnlichen Projekt gearbeitet. Warum außergewöhnlich?

  1. Organisatorisch war das etwas besonderes, weil sich die Stadt Mettmann und der Kreis Mettmann entschlossen hatten, ein Projekt in gemeinsamer Trägerschaft zu starten.
  2. Die Größe der Einrichtung war eine Herausforderung: Es sollte eine 7-gruppige Kindertagesstätte mit Schwerpunkt Inklusion und Familienzentrum werden. 16 heilpädagogische Förderplätze für Kinder waren geplant. Über 100 Kinder sollten sich in dem Haus auf 1900 qm Nutzfläche bewegen.
  3. Die Architektur war als naturnaher Erlebnis- und Spielraum in Holzbauweise als Passivhaus geplant, barrierefrei und eingeschossig.
  4. Die Basis für die Innenraumgestaltung sollte ein pädagogisches Konzept sein, was im interdisziplinären Team erarbeitet wird und daraus entwickelt sich dann die Raumgestaltung. Das ist genau mein Ansatz, denn ich heute in meiner Arbeit verfolge und als die Wirksamkeit der Raumgestaltung bezeichne. (Mehr zu mir und meiner Arbeit auf meiner Homepage)

Zahlen Daten Fakten

  • 106 Kinder im Alter von 4 Monaten bis 6 Jahren
  • 16 Kinder davon mit Behinderungen
  • 2 freigestellte Leiterinnen
  • 19 pädagogische Kräfte
  • 3 Therapeuten
  • 3 hauswirtschaftliche Kräfte
  • 7 Gruppenbereiche in 4 Gebäudeteilen mit Therapie- Verwaltung und Küchentrackt
  • 1 zentraler Platz, das Atrium
  • 1908 qm Nutzfläche
  • 9380 qm Grundstück
  • 5,2 Mio € Baukosten
  • 1 tolles Planungsteam von engagierten Mitarbeitern von Stadt und Kreis mit dem festen Willen etwa außergewöhnliches zu schaffen.

Vielfalt begegnen – ein offenes Haus für alle Kinder

Lautete der Arbeitstitel für das Projekt – damit sind wir Ende 2011 gestartet.

Das pädagogische Konzept

Die Überschrift bringt die wesentlichen Grundgedanken der Einrichtung auf den Punkt. Das Gebäude ist so angelegt, dass in 3 Häusern jeweils 2 Partnergruppen eng zusammenarbeiten. Im Rahmen einer teiloffenen Gruppenarbeit nutzen die Partnergruppen die Gruppen und Nebenräume gemeinsam. An den Grundsätzen der Bildungsförderung NRW orientiert, bilden sich alle 10 Bildungsbereiche sowohl im Innenraum als auch im Aussenraum ab. Für die Bildungsbereich sind Themenräume entwickelt worden, die gruppenübergreifend genutzt werden. Die Bedürfnisse der Kinder und der Inklusionsgedanke werden kontinuierlich in den Blick genommen. Das betrifft die breiten Alterspannen der Kinder, die unterschiedlichen Bedürfnisse im Tagesablauf und die speziellen Belange der heilpädagogischen Gruppen. Darüber hinaus wird die Arbeit als Familienzentrum angestrebt und Möglichkeiten zur Begegnung der Eltern mit eingeplant.

Basiskompetenzen und Bildungsbereiche. Die Darstellung strukturiert die Bildungsarbeit und ermöglicht so eine verlässliche Planung.

Mehr Chancen durch Bildung von Anfang an – Grundsätze zur Bildungsförderung für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertageseinrichtungen und Schulen im Primarbereich in Nordrhein-Westfalen

Auf dieser Grundlage hat dann die interdisziplinäre Arbeitsgruppe die Funktionsplanung und die Nutzungsplanung für die Kindertagesstätte entwickelt.

Innenarchitektur – Gestaltungskonzept

Die Struktur des Gebäudes besteht aus 4 Häusern in dem 7 Gruppen untergebracht sind. Ein Haus beherbergt die Leitungsbüros, Besprechungsraum, den Sozialraum für die Mitarbeiter, die Hauswirtschaftsräume und die Küche. Gemeinsam teilen sie sich jeweils mit 2 Gruppen die Gruppen- und Nebenräume. Die 7. Gruppe ist alleine in einem Haus. Alle Häuser haben 15 bis 20 Kinder, je nach Altersklasse und heilpädagogischem Betreuungsbedarf. Alle Häuser gehen von dem 230 qm großen Atrium aus ab. Das Atrium hat, als eine Art 2. Ebene, eine riesengroßes Klettergerüst im Mittelpunkt. Über eine große Lichtlaterne wird Tageslicht hereingelenkt. Eine Bühnenfläche gehört mit zum Atrium, ein Willkommensbereich mit Registrierungsmöglichkeit für die eintreffenden Kinder, Eltern können sich hier aufhalten, sich austauschen und die neuesten Infos an großen Pinwänden erhalten. Durchbrüche und Durchblicke vom Atrium in die Umkleiden laden zum Klettern ein. Neben diesem zentralen multifunktionalen Raum gibt es dann noch, für alle zugänglich, die Themenräume, die die Bildungsthemen abdecken. Ein Raum mit Schaufenster und Ausstellungsfläche, wo man sieht, was da drinnen passiert und die Kinder so richtig neugierig macht und zum Mitmachen einlädt.

Beispiel Themenraum Bauen Konstruieren. Es gibt noch ein Atelier, ein Labor, ein Sprach- und Medienraum, ein Zahlenraum, ein Raum für Musik, Tanz und Theater, ein Bewegungs- und Sportraum, den Erfahrungsbereich Wasser in einem der WC/Wickelräume, ein Meditationsraum und ein Projektraum für alles, was sonst noch so vorkommt.

Leit- und Orientierungssystem

Das eingeschossige Gebäude hat eine enorme Ausdehnung. Von einem zum anderen Ende beträgt die Entfernung über 70m ! Ein Vielzahl von Häusern, Räumen, Fluren und Wegen für mehr als 130 Personen, die sich täglich hier aufhalten. Das sind Dimensionen, die sich schon etwas beängstigend anfühlen. Kuschelig und behütet fühlt sich erstmal anders an. Wie finden wir uns hier zurecht? Sind die Kinder bei der Größe überfordert? Wo ist mein Platz?

Auf Grund dieser Sorge war die Implementierung eines Orientierungsdesign unbedingt notwendig. Und nach meiner Auffassung heißt das nicht nur einfach ein paar Schilder aufhängen, sondern ein Konzept erarbeiten, was die Architektur aufnimmt, Weg über Farben und Oberflächengestaltung weist, die Wahrnehmung von den Nutzern berücksichtig und dem gesamten Raumgefüge einen Zusammenhalt gibt. Entwickelt hat sich alles aus der Idee einer zentralen Bodenskulptur, die, wie eine Windrose, richtungsweisend und leitend ist. Immer kommt man wieder zum zentralen Punkt, in das Herz der Einrichtung zurück. Die Hauptfarben mit ihren vielen Nuancen geben den Häusern Identität und die Kinder fühlen sich einer Farbe zugehörig. Dieser Gedanke von Zuordnung und Labeln ist dann über einen Barcode vom Boden an die Wände gewandert. Das Streifenornament nimmt die Hausfarbe auf und kennzeichnet die Flurzonen der einzelnen Häuser, Garderoben und die WC und Wickelräume. In den Gruppenräumen nimmt sich die Farbe deutlich zurück. Hier soll eine ruhige Atmosphäre entstehen und es Raum für eigene Gestaltung geben.

Barcode für jedes der 4 Häuser.

Teil des Orientierungsdesign sind die Piktogramme, die die Themenräume kennzeichnen. Hier werden Zeichen mit Schrift in Verbindung gebracht, so dass alle Altersklassen erkennen, um was es geht. Auch die Gestaltung der Eingangstüren in die Gruppenräume hinein nehmen dieses Konzept wieder auf. Es wird sowohl die Raumnummer als Zahl und als Wort gezeigt, die Hausfarbe ist zugeordnet und die Zahl als Menge ist ablesbar. Auch so lernt man Zählen und Lesen.

Entwürfe der Piktogramme für die Themenräume: Schrift, eine Aufforderung und ein Zeichen kennzeichnen die Türen der Themenräume.

Aussenanlagen

Die Aussenanlagen sind der zweite wichtiger Bestandteil des pädagogischen Konzeptes und sind im Gesamtkonzept integriert. Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro Stadt + Natur, Lüdenbach und Kolarova stehen als Resultat Innenraum und Außenraum in einer engen Wechselbeziehung. Themen finden sich in der Fortsetzung vom Innenraum im Außenraum wieder.

Quelle: Stadt und Natur Wuppertal: http://www.stadt-natur-nrw.de

10 Jahre später…

Eine Einladung kommt auf meinem Schreibtisch: Sommerfest anlässlich des 10 jährigen Bestehens der Kindertagesstätte Kirchendeller Weg. 10 Jahre, dass kann gar nicht sein. Schnell schaue ich auf meine Projektordner und suche das Projekt. Es stimmt. Für mich ist der Start des Projektes sogar fast 13 Jahre her. Doch wie lange auch immer, sofort kommen mir die Bilder und Situationen in den Kopf, von spannenden Treffen, kreativen Präsentationen, guter Stimmung im interdisziplinären Team, aufregende Momente bei der Präsentation des Konzeptes in der Sitzung des Rates der Stadt und das Lachen der Kinder bei der Eröffnungsfeier. Das ganze Projekt ist geprägt von einer wunderbaren Zusammenarbeit mit dem Willen aller Beteiligten, ein außerordentliches Projekt zu entwickeln und der Begeisterung und der Freude bei unserer gemeinsamen Arbeit. Mehr Bilder von vor 10 Jahren befinden sich in der Bildergalerie meiner Homepage.

Was wird mich dort nach 10 Jahren Betrieb wohl erwarten?

Ich bin sehr gespannt, fahre los und stehe dann wieder vor dem Gebäude. Ich bin erstaunt wie wunderbar „eingewachsen“ es ist und wie selbstverständlich es in der Landschaft liegt. Neugierig gehe als erstes ins Gebäude und bin wirklich überrascht. Es sieht aus, wie gerade übergeben. Alles gepflegt und in Gebrauch, aber überhaupt nicht abgenutzt. Ok, es wird bewohnt und in Besitz genommen. Es hängen überall Kunstwerke der kleine Künstler, Girlanden sind gespannt und Luftballons sind aufgehangen. Es wuselt und brabbelt in jeder Ecke, die Fenster sind bemalt und alle Türen sind zu den Aussenanlagen geöffnet, es riecht nach Grillwürstchen und überall sind Kinder und Erwachsene unterwegs. Wie ein fröhlicher und lebendiger Ameisenhaufen. Und dann sehe ich vertraute Gesichter des Planungsteams, Mitarbeiterinnen der Stadt, die Gartenarchitektin und den Architekten. Große Freude und nette Gespräche folgen mit der gegenseitigen Wertschätzung für diese tolle Arbeit und das besondere Ergebnis.

Dann habe ich die Gelegenheit, die jetzige Leiterin der Tagesstätte kennen zu lernen und teile meine Begeisterung für dieses gut gepflegte und so wunderbar lebendige Haus mit ihr. Das, was sie mir dann sagt, hat mich wirklich berührt. “ In diesem Haus fühlen sich alle wohl. Die Kinder lieben es, alle Mitarbeiterinnen kommen gerne und fühlen sich immer wieder neu inspiriert durch die vielen Orte und Situationen die sich hier bieten. Wir spüren jeden Tag die Liebe und Freude mit der diese Kindertageseinrichtung entwickelt, gestaltet zum Leben erweckt worden ist.“

Mehr als diese Aussage kann ich mir wirklich nicht wünschen. Danke!

Mehr über meine Arbeit und andere Projekte mit Langzeit-Wirkung, mit Herzblut und Begeisterung entwickelt, auf meiner Homepage.