Raumbildung
Kannst Du auch Kirchen gestalten? Diese Frage war der Beginn der ganzen Geschichte. Ja – kann ich. Sagte ich so ganz locker. Vom Prinzip kann eine Gestalterin erstmal alles. Ob es eine Arztpraxis, ein Bistro, ein Wohnzimmer oder eine Kirche ist, meine Aufgabe startet immer gleich: Was soll im Raum passieren, wer hält sich dort auf, was ist das Ziel der Nutzung und wie sehen die Wünsche der Nutzer aus. OK, hier spielt natürlich noch etwas überirdisches eine Rolle – Gott – aber da gibt es ja Vertreter auf Erden, die ich beteiligen kann.
Das Entscheidungsgremium in einer evangelischen Gemeinde Niederwenigern ist das Presbyterium. Sechs von der Gemeinde gewählte Gemeindemitglieder, die natürlich noch voll im Berufsleben stehen, die Geschicke Aller leiten und verantworten – natürlich ehrenamtlich! Den Vorsitz macht der Pfarrer. „Dann mach uns doch mal ein Angebot.“ Ja, und hier sind wir auch immer an dem gleichen Punkt: was soll ich denn anbieten? Wie lautet die Aufgabe? Ich bitte um einen Termin mit den Presbyterium – um das herauszufinden.
Hilfe – wir brauchen Raum!
Und dann erfahre ich die ganze Geschichte:
- Die Gemeinde hat ein baufälliges Gemeindehaus und sie hat eine denkmalgeschützte Kirche.
- Eine sehr aktive Gemeinde, die Raum braucht und nutzt.
- Vor 4 Jahren hatte sie ein Idee: Sie verkaufen das Grundstück auf dem das baulich nicht mehr zu rettende, alten Gemeindehauses steht, an eine Stiftung, die Wohngruppen für Behinderte schafft und bauen ein kleines aber funktionales Gemeindezentrum an.
- Alle sind begeistert. Eine Stiftung ist gefunden. Die Zustimmung des Kirchenkreises ist da.
- Ein Architekt plant. Fertig ist das Konzept und der Plan – ab zum Bauamt.
- Dann passierte nichts – 3 Jahre lang.
- Durch diese verschleppte Bauantragsgenehmigung ist dann leider das Bauvorhaben voll in die Baukrise gerutscht und die Finanzierung ist nicht mehr machbar.
- Das wars.
- Aber sie geben nicht auf – da ist doch noch die Kirche in der mittlerweile, durch die Zusammenlegung von Gemeinden, nur noch alle 14 Tage ein Gottesdienst stattfindet.
- und dann startet das neue Projekt.
Die NEUE Kirche: alles anders aber bitte nicht so viel verändern.
In einer ausführlichen Vorarbeit hat sich die Gemeinde und das Presbyterium mit der neuen Gegebenheit auseinandergesetzt. Wie überall stehen Sie vor großen Herausforderungen in den Kirchenkreisen. Die Gemeinden schrumpfen, die Finanzierungen wanken, Einnahmen fehlen, die Pfarrer gehen aus und der Trend verschärft sich auch noch. Eine Kirche kostet im Unterhalt eine Menge, die die Gemeinde finanzieren muss. Aus diesem Grund sind auf Dauer viele Kirchen als Gebäude nicht mehr zu halten.
Daneben heißt es auch noch, sich inhaltlich neu aufzustellen. Was bedeutet Kirche, welche Aufgabe hat sie, was erwarten die Mitglieder und was soll geboten werden. Das große Thema ist eine Gemeinschaft anzubieten, einen Ort der Versammlung zu schaffen und ein Angebot zu machen. Zeitgemäße Gemeindearbeit geht weit über den Sonntags- Gottesdienst hinaus. Platz für Gruppentreffen, Sitzungen, Gemeindeversammlung, Kinoabende, Tanzkurse, die Proben der Gemeinde-Theatergruppe, die Band braucht einen Proberaum und der Chor will singen üben. Verschieden Gruppenstärken sind zu berücksichtigen. Gottesdienst in der Regel vielleicht mit 40 Besuchern, Hochzeiten mit 150 Gästen, Weihnachten könnte die Kirche auch 250 Plätze haben. Konzerte, Lesungen, Podiumsdiskussionen, Gemeindefeste und Parties… Wünsche sind reichlich da. Auch für zukünftige Entwicklungen will man gewappnet sein.
Konzeptentwicklung
Wie geht man an eine solche Aufgabe heran? Was muss betrachtet werden und welche Themen sind zu bearbeiten und mit welchen Ziel?
- Analyse der Architektur, um herauszufinden welche Chancen der Raum bietet und was machbar ist.
- Nutzungsanforderungen entwickeln als Grundlage für die richtige Gestaltung- und Möblierungsentscheidung.
- Gestaltungskonzept mit Leitlinie formulieren um ein zielorientiertes Voranschreiten und sichere Entscheidungsfindung zu ermöglichen.
- Gestaltungselemente einsetzen, um die Zielatmosphäre zu erreichen.
- Entwurf starten und Lösungen für alle Herausforderungen und Wünsche finden.
- Technische Ausstattung als Grundlage für ein funktionierendes Umfeld, steuerbar für alle Anlässe.
Um zum Ziel zu kommen, ist dann alles für die Umsetzung vorzubereiten. Ausführungsplanung mit Detailklärung sind zu erstellen, Angebot sind einzuholen und Aufträge zu vergeben. Dann beginnt die Umsetzungsphase.
Analyse der Architektur: Ist-Zustand
Was bietet die Architektur an? Was macht eine Kirche eigentlich aus? Welche Dramaturgie erlebt man im Raum:
- von ganz klein und eng ( Eingang) über
- einen niedrigen Bereich (unter der Empore) mit Stützen, die das Ende des Bereichs auch in der Senkrechten markieren,
- den großen, hohen Kirchraum, mit mächtigen Stützen, die den Bereich strukturieren und in den Rippen auslaufen und die Deckenfelder bilden. Die Dramatik wird durch die hohen schlanken Fenstern noch erhöht.
- den Altarraum, der sich formell vom großen Bereich abhebt und erhöht einen eigenen Raum bildet. Hier sind die Proportionen von Fläche und Raum noch ehrfürchtiger. Mit drei eng beieinander stehenden Fenstern erhält dieser Raum eine größere Bedeutung.
- Die Hauptachse vom Eingang bis zum Altar wird durch die Symmetrie noch verstärkt.
- Die Empore als Platz der Orgel schwebt über allem.
Der Plan oben stellt die Raumstruktur dar, die man wahrnimmt. Diese ergeben sich durch die unterschiedlichen Deckenhöhen, die Anordnung der Stützen und die Raumproportionen 4 ablesbare Raumeinheiten, die auf Grund ihrer Kubatur eine bestimmte Stimmung und Atmosphäre vermitteln. In dem Plan sind die Raumstrukturen mit ihrer Funktion, der Nutzung und der gewünschten Atmosphäre strukturiert.
Raumstruktur
- Eingang mit Aufgang zur Empore: eine Art Windfang, klein (ca. 7 qm, bei einer Höhe von ca. 4,0m) aber hoch mit symmetrischen Zugängen zu der Empore über jeweils ein runden Treppenturm. 2 kleine Abstellmöglichkeiten unter der Treppe. (Technisch befindet sich hier die Hauptunterverteilung in einem Sicherungskasten und die Heizungsteuerung.)
- Raum unter der Empore: hier kann sich ein Raum entwickeln, der „normale / übliche“ Raumproportionen hat und unserem Raumgefühl eher vertraut ist. (ca. 46 qm bei einer Höhe von 3,0 m)
- Der Kirchraum: die Wirkung ist sehr sakral und festlich und wird durch die Raumhöhe und die typischen Merkmale wi e Rippengewölbe, Stützen und klassische Kirchenfenster, unmittelbar als Kirchraum wahrgenommen. ( 160 qm, bei einer Raumhöhe von ca. 9,5 m)
- Altarbereich: durch die Erhöhung (2 Stufen)und die zentrale Anordnung wird dieser Bereich klar als sakrales Zentrum definiert. Der Altar an sich gibt diesem Raum eine feste Aufgabe. ( ca. 45 qm )
- Empore: eine 2. Ebene im Raum, hier steht die Orgel. Die Fläche öffnet sich in das große Volumen. Begrenzte Fläche mit enormer Weite und ein Blick von oben, mit gefühlter Distanz zur unteren Ebene.( 55qm )
Nutzungsanforderungen: Soll-Situation
Im nächsten Schritt werden die zukünftigen Nutzungswünsche der Kirche aufgelistet: Aktivitäten,Veranstaltungen, Gruppenzusammenkünfte, Proben von Jugendband bis Chor,Gottesdienste im Jahresverlauf, bei Beerdigungen und zu Hochzeiten. Die verschiedenen Nutzungen werden dann den Räumen zugeordnet und es wird geprüft, wie und in welchem Umfang die Nutzung möglich ist. Wieviele Stühle und Tisch werden für die verschiedenen Szenarien benötigt?. Wie sieht eine Bestuhlung aus? Was ist mobil, was kann fest eingebaut sein? Passen Raumgröße und Nutzerzahl zusammen? Stauraum, wo kann der sein, wie groß muss er sein? Über Skizzen und viele Varianten legen wir die Varianten fest und testen Möglichkeiten aus.
Die erste Erkenntnis und eine Grundsatzentscheidung steht direkt am Anfang an:
Wir verabschieden uns von den Kirchenbänken.
Starre, nicht mobile Sitzreihen verhindern eine flexible und vielfältige Nutzung. Diese Entscheidung ist notwendig, wenn die Fläche multifunktional genutzt werden soll – da geht kein Weg dran vorbei.
Räume und ihre Nutzungsmöglichkeiten
Der Raum unter der Empore
Unter der Empore wird es Tische geben, an den konferiert, gebastelt oder Kaffeegetrunken werden kann. Runde Tische fallen aus Stauraumkapazitäten weg. Aber es wird klappbare Stehtische geben.
Thema Abtrennung des Bereichs. Die Entscheidung fällt für einen Vorhang der den Bereich optisch abtrennt und auch im Winter die Wärme in diesem Bereich hält.
Der Altarraum
Dieser Bereich wird eine feste und permanente Möblierung erhalten. Der Altar und die Altarmöbel werden neu entworfen. Der Altar ist eine feststehende Möbel und unverrückbar in Verbund mit der Statue als zentrales Element der Kirche. Die umlaufenden Bänke ermöglichen, dass sich kleinere Gruppe direkt um den Altar versammeln können. Ambo und Osterkerze sind mobil und können größerem Platzbedarf versetzt werden. Das Taufbecken wird einen besonderen Platz erhalten, dazu später.
Der Kirchraum
Die Gottesdienstbestuhlung ist mobil und kann ich verschiedenen Varianten aufgestellt werden.
Vollbestuhlung – was ergibt sich für eine maximale Anzahl?
Lose Möbel, wie finde ich die Richtigen: 8 Kriterien
Die Innenarchitektur unterscheidet zwischen fest eingebauten Mobiliar wie z.B. Einbauschränken. Alle Möbel, die fest mit dem Gebäude verbunden sind und den losem Mobiliar, das lose eingestellt wird, wie z.B. Stühle, Tische, Sessel, Sofas…
Die Kriterien für die Auswahl der losen Möbel hängt von vielen Faktoren ab, die im Detail erörtert und abgewogen werden sollten. Und das geht über schönes Aussehen weit hinaus. Hier die 8 wichtigsten Kriterien
Funktionalität
- Ergonomie: Komfortable Sitzhaltung, Anpassung an verschiedene Nutzer (z. B. höhenverstellbar).
- Verwendung: Geeignet für den vorgesehenen Zweck (z. B. Esszimmer, Wartezimmer, Büro).
- Flexibilität: Stapelbar, klappbar oder leicht zu transportieren.
Design und Ästhetik
- Stil: Passend zum Gesamtkonzept des Raums (z. B. modern, klassisch, minimalistisch).
- Farbgestaltung: Harmoniert mit der Farbpalette des Raums.
- Form: Visuelle Harmonie mit anderen Möbelstücken.
Material und Qualität
- Langlebigkeit: Hochwertige Materialien für eine lange Lebensdauer.
- Pflegeleichtigkeit: Einfach zu reinigen und resistent gegen Flecken oder Verschleiß.
- Nachhaltigkeit: Umweltfreundliche Materialien oder zertifizierte Produkte.
Komfort
- Polsterung: Ausreichend gepolstert oder ohne Polsterung angenehm zu sitzen.
- Rückenlehne: Unterstützt die Wirbelsäule und sorgt für entspanntes Sitzen.
- Sitzfläche: Angemessene Größe und Form für unterschiedliche Körpergrößen.
Stabilität und Sicherheit
- Konstruktion: Robuste Bauweise, die Stabilität gewährleistet.
- Gewichtslimit: Geeignet für alle Nutzergruppen.
- Standfestigkeit: Kein Wackeln oder Kippen.
Praktikabilität
- Raumnutzung: Optimale Maße für die vorhandene Fläche.
- Leichtbau: Einfach zu bewegen
- Montage: Bereits montiert oder einfach aufzubauen oder zu verketten
Preis-Leistungs-Verhältnis
- Budget: Angemessen für die verfügbaren finanziellen Mittel.
- Investition: Gutes Verhältnis zwischen Qualität und Preis.
Normen und Zertifizierungen
- Sicherheitsstandards: Einhaltung relevanter Normen und Vorschriften wie z.B. Brandschutz
- Zertifikate: Umwelt- oder Gesundheitszertifikate (z. B. Blauer Engel).
In dem Projekt hier mussten wir die Kriterien priorisieren. Ein ganz entscheidender Aspekt ist der fehlende Stauraum. Unsere Aufgabe war es, jeglichen Stauraum innerhalb der Kirche schaffen. Aus diesem Grund haben wir ein Stuhlkonzept entwickelt müssen. Stühle für verschiedenen Nutzungen, mit unterschiedlichen Verstauungsmöglichkeiten und mit verschiedenen Anforderungen haben wir ausgewählt. Das Ergebnis waren dann drei verschiede Stuhltypen und ein Sofa.
- Stuhl 1, der dauerhaft für den Gottesdienstbereich im vorderen Teil stehen wird. Anforderung: Bequemes sitzen = gepolstert, verkettbar, mit Gesangsbuchablage und auch stapelbar. Die besondere Anforderung hier war, einen Stuhl zu finden, der den Bankcharakter ein bisschen mitträgt. Die Abschaffung der Bänke war für einige Gemeindemitglieder nur schwer vorstellbar. Bei der Auswahl habe ich einen Stuhl vorgeschlagen, der in der Reihe den Eindruck einer Bank hervorruft, obwohl es ein Einzelstuhl ist. Der Trick: Die Rückenlehnen schließen bündig an und so entstehe der Eindruck es ist eine durchgehende Bank.
- Stuhl 2, für die Standard Aktivitäten unter der Empore. Anforderungen: Bequem, gepolsterter Sitz, Armlehnen, leicht zu handeln, stapelbar in großer Menge.
- Stuhl 3, für die maximale Bestuhlung der Kirche. einfacher, sehr gut stapelbar, leicht, verkettbar.
- Sofa, das ist etwas ungewöhnlich für eine Kirche. Das Thema Sofa ist aber schon lange vom Wohnzimmer in den Bürobereich gewandert. Der Bürogedanke, nämlich eine Sitzgelegenheit zu haben, die eine lockere und informelle Atmosphäre schafft, durch die Idee mit sehr hohen Rückenlehnen einen „Schutzraum“ im großen Raum schafft und durch den Stoffbezug die Akustik positiv beeinflusst. Ein Elemente was Raum bildet und auch als Paravent genutzt werden kann. Rollen unter das Möbel und schon ist es mobil und passt sich schneller jeder Situation an. Ideal für die Anforderung eines flexiblen und mehrfach genutzten Raumes wie in unserer Kirche!
Die gestalterische Herausforderung war, dass im Gesamtbild bei Vollbestuhlung alle drei Stuhlarten gut zusammenpassen und gutes gemeinsames Bild abgeben. Eine Herausforderung aber, durch akribische Suche, zu lösen.
Feste Möblierung: je individueller der Zuschnitt, desto passender
Fest eingebaut Möbel werden passend, genau für die räumliche Situation und den Nutzen entworfen und in der Regel von einem Tischler gebaut. Stauraumschränke im Bereich unter der Empore beinhalten eine Teeküche und die restlichen 6 Laufmeter dienen als Stauraum für Stühle, Tische, Stehtische und Platz für alles was sonst noch benötigt wird. Maßlich sind die Schränke genau den Transportwagen angepasst. Die beiden Schränke auf den kurzen Seiten werden mit einem Wandpanel verbunden, das in der Struktur an eine Bibliothek erinnern soll. Hier sind passende Fächer für die Gesangsbücher untergebracht, Konferenztechnik hat hier einen Platz und Leuchtflächen geben diesem fensterlosen Bereich eine besondere Lichtatmosphäre. Festeingebauten Sitzbänke an den langen Seiten entlang des Kirchraumes dienen als Leitungsführung für die Strom- und Wasserleitungen und bieten im Bereich unter den Fenstern weiteren Stauraum in Schubladen. Im Eingangsbereich eingepasst sind Schränke für Technik.
Gestaltungskonzept
Um in einer Gruppe die Entscheidungen sicher und zielführend voranbringen zu können, ist es aus meiner Erfahrung heraus sinnvoll und wichtig , dass Leitlinien für die Gestaltung gemeinsam festgelegt werden. Es ist sehr hilfreich für ein effektives Vorankommen.
Leitlinien
Folgende Leitlinien für die Gestaltung der Kirche sind die Grundlage für alle weiteren Entscheidungen und berücksichtigen auch den Denkmalstatus des Gebäudes. Unsere Maßnahmen beschränken sich auf eine Möblierung und die Ertüchtigung der elektrischen Anlagen.
- Die Kirche ist weiterhin klar als Gotteshaus wahrnehmbar und behält diese Funktionen.
- Die historischen Elemente der Kanzel und die Orgel bleiben erhalten.
- Die Farbgestaltung der Wände, Decken und der Holzeinbauten werden grundsätzlich beibehalten.
- Alle neue eingebauten Elemente haben eine gemeinsame Material- und Formensprache. Die Aussage ist schlicht, zeitgemäß, funktional.
- Alle neuen Elemente setzten sich deutlich von der vorhandenen Architektur mit den historischen Gestaltungselementen ab. Sind als eigenständige Einbauten abzulesen.
- Jedes Element hat einen schlichten, skulpturalen Charakter.
- Das gesamte Erscheinungsbild ist hell, freundlich und hat eine einladende Atmosphäre.
- Die neuen technischen Einbauten sind sichtbar und als zeitgemäße Technik klar ablesbar. Sie setzten sich als modernes Element von der vorhandenen Architektur ab.
- Die neue Gestaltung der Kirche inspiriert zu neuen Nutzungen, Aktivitäten und fördert die Gemeinschaft.
Gestaltungselemente
Welche Elemente stehen uns zur Verfügung um den Raum zu gestalten? Wo können wir ansetzten, was können wir nutzen?
- Einbauten. Fest eingebautes Mobiliar sind die umlaufenden Sitzbänke mit Stauraum, Stauraumschränke unter der Empore mit ein Wandpanel.
- Loses Mobiliar. Tische, klappbar und mobil. Stühle in 3 Varianten von Bankreihe, stapelbar, gepolstert und ungepolstert, Sofas als mobile Trennelemente. Altarmobiliar bestehend aus Altar, Taufbecken, Ambo und Taufkerze.
- Licht als Grundausleuchtung, szenisches Licht und Eventbeleuchtung
- Farb- und Materialkonzept. Auswahl der Möbeloberflächen, Materialien und Farbgestaltung.
- Graphische Gestaltung.
Entwurf
Grundsätzlich war es der Gemeinde sehr wichtig, den sakralen Gesamteindruck zu erhalten und eben dieses Gefühl eines Gotteshauses zu erhalten. Es gab große Diskussionen und unterschiedliche Haltung zu diesem neuen Ort. Aber am Ende ist es Allen klar gewesen: Entweder nutzen wir jetzt diese Chance für uns als Gemeinde und erhalten diese Kirche auch in Zukunft, indem wir die Nutzung über den klassischen Gottesdienstraum hinaus erweitern. Veränderungen verunsichern und machen Angst. Mut ist erforderlich Neues zuzulassen und Vertrauen in die Menschen, die die Neuerungen gestalten ist notwendig.
Beteiligung der Gemeinde
Deshalb ist die Beteiligung der Gemeinde sehr wichitig. Der gesamte Entwurfsprozeß wird vom Presbyterium begleitet und gemeinsam vorangetrieben. Das Nutzungs- und Gestaltungskonzept wird in einer Gemeindeversammlung vorgestellt und zur Abstimmung gebracht. Das Presbyterium wird beauftragt, die Neugestaltung durchzuführen. Zur Auswahl der Stühle wird die Gemeinde noch einmal direkt in den Entscheidungsprozess einbezogen. Musterstühle werden vorgestellt und in einer Abstimmung werden die Stühle ausgewählt.
Atmosphäre
Das gesamt Atmosphäre hat einen hellen, freundlich einladen Charakter. Die Materialien sind zeitgemäß und entsprechend der Anforderung einer langen Nutzungsdauer ausgewählt. Es ist ein helles Eichenholz für alle Möbel ausgewählt. Die Farbenwelt hat einen Ton in Ton Charakter um einen ruhigen und einheitlichen Rahmen zu geben. Die ehemaligen Leuchten werden von den neuen Beleuchtungselement in schlichtem schwarz Design abgelöst, die durch die aktuelle Technik ganz andere Möglichkeiten der Beleuchtung ermöglichen. Sie setzen einen deutlichen Kontrast und ein klares, schlichtes Zeichen für das Neue in diesen Räumen.
Der Bereich unter der Empore erhält eine besondere Bedeutung. In Anlehnung an die Atmosphäre einer Bibliothek wird der Raum an drei Seiten mit einem Wandpanel in Eiche umschlossen. Rechts und links auf den kurzen Seiten versteckt sich so der Stauraum für die Tische und Stühle auf Transportwagen und eine kleine Küchenzeile für die Bewirtung. Der Vorhang, der diesen Bereich vom Kirchraum optisch und thermisch trennt, ist ebenfalls darin untergebracht. Die Kopfwand zum Ausgang hin hat noch ein ganz besonders Highlight. Lichtflächen geben diesem gefangenen Raum Licht und dadurch einen ganz eigenen Charakter. Die Gesangsbücher werden griffbereit untergebracht und ein Bildschirm macht Besprechungen mit Medieneinsatz möglich oder dient als Informationsüberbringer für die Gemeinde.
Die graphische Gestaltung hat eine ganz besondere Geschichte. Mir schwebte von Anfang an eher etwas abstraktes vor. An dieser Stelle sollte etwas farbenfrohes hin, etwas belebendes und aktivierendes. Ein Motiv konnten wir nicht so wirklich finden. Bis ich an einem Morgen auf der Baustelle war und plötzlich diese Lichtbilder auf der Wand im Altarraum gesehen habe. Da war mir sofort klar – das ist es. Ein Bild, entworfen vom Licht, das durch die Kirchenfenster schon im Raum ist – nur nicht immer sichtbar. Jetzt hinterleuchten die LED Lichtflächen die auf Leinwand gedruckten Bilder. Auf Knopfdruck leuchtet die Sonne in den fensterlosen Raum – auch wenn sie nicht wirklich scheint.
Möbelentwurf Altarmöbel
Ein ganz besonderes Highlight in diesem Projekt war meine Aufgabe die Altarmöbel zu entwerfen. Dazu werde ich noch in einem anderen Artikel im Detail etwas schreiben.
Technische Ausstattung
Eine große Herausforderungen neben dem gestalterischen Konzept ist die technische Instandsetzung im Hinblick auf die Energieeffizienz. Nach intensiver Auseinandersetzung mit Fachplanern wird das vorhanden Heizsystem erhalten, was allerdings nur eine geringe Grundwärme schafft. Die Nutzung im Winter bedarf einer besonderen Lösung. Es werden unter der Empore Infrarotheizflächen eingebaut, die nicht den Raum heizen, sondern dem Menschen wärme geben. Das ist auch der Ibach Orgel geschuldet, die keinen starken Temperaturschwankungen ausgesetzt werden darf. Die gesamte Elektroinstallation muss in Stand gesetzt werden. Die Lichttechnik ist nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Technik. Um für die Veranstaltungen gut aufgestellt zu sein, wird Eventtechnik installiert, die eine besondere Ausleuchtung und Effektbeleuchtungen ermöglicht. Eine gute Audioausstattung wird eine gute Sprachverständlichkeit bei den verschiedenen Nutzung ermöglichen. Bildtechnik, in From eines Beamers, wird auch eine Kinoabend auf eine Leinwand zaubern oder während des Gottesdienste Bildbeiträge darstellen oder die Liedauswahl anzeigen.
Damit die Technik für alle nutzbar ist, werden vorbereitete Szenarien programmiert um über direktes Anwählen unproblematisch von allen genutzt werden zu können.
Fazit
Am 19. Januar ist die offizielle Eröffnung im Rahmen des Neujahrsempfang der Kirchengemeinde. Weihnachten sind aber schon alle Gottesdienste und auch schon die ersten Veranstaltungen gelaufen. Bei 2 Konzerten der Band Stolberk war ich intensiv involviert und konnte sehen – es funktioniert. Die Abläufe haben gut gepasst, es war Platz für die Band und die Technik und ein Bewirtung war unproblematisch möglich. Die Konzertbesucher waren begeistert von Stehtischen und der Getränkebar im Inneren. Die Sichtbarkeit des Altarbereichs hat nur noch wenig Störstellen durch die Säulen und der Blick auf den Altar ist weiter, weil wir die Kanzel etwas zur Seite versetzt haben. Ich habe auf einer der neuen Seitenbänke gesessen, mich zufrieden zurückgelehnt und mich einfach nur gefreut. Umfangen von der wunderbaren neuen Atmosphäre habe mich von der Musik und der umglaublich guten Stimmung tragen lassen.
Fast haben wir es geschafft. Ein paar Reste sind noch zu erledigen, aber das Gesamtbild ist da.
Das war Teil meines Weihnachtsbriefes an das Presbyterium.
Gemeinsam haben wir ein außergewöhnliches Konzept entwickelt. Euren Mut zielstrebig voranzuschreiten, trotz Gegenwind, hat mir sehr gefallen.
Ich möchte mich für Eure Unterstützung, Euer Vertrauen und für den Freiraum, den Ihr mir für die Gestaltung gegeben habt, bedanken.
Einen offenen Blick, Kreativität und Experimentierfreude für die vielen Möglichkeiten , die sich jetzt durch diese NEUE Kirche ergeben, wünsche ich Euch allen.
Dann bin ich auf dieses Zitat von Tadao Ando gestossen und finde damit ist alles zu diesem Projekt gesagt:
„In der Architektur geht es nicht nur um Raum und Form, sondern um die tiefe Verbindung von Licht, Schatten und der Seele.“
Deshalb liebe ich meine Arbeit. Mit dem Wissen zur Wirksamkeit von Raumgestaltung kann ich mit und für Menschen Räume entwickeln, die genau den Wünschen und Anforderungen Raum geben, die sie sich vorstellen und darüber hinaus, die Menschen zu neuen Nutzungsmöglichkeiten und zu gemeinschaftlichen Aktivitäten inspirieren.
Wie eine Zusammenarbeit mit mir startet
Das Thema Kirchengestaltung hat mich noch einmal in ein ganz anderen Themenraum hineinblicken lassen. Der Artikel gibt Einblick, wie ich Arbeite und wie die Struktur eines Projektes aussehen kann. Ich unterstütze sehr gerne weitere Projekte zum Themenkreis Kirchengestaltung mit meiner Expertise und Erfahrungen. Kontakt, unverbindlich um einfach ins Gespräch zu kommen unter:
Gudula Be-Pechhold INNENarchitektin
P.S.: Ende Januar, wenn die Weihnachtsdekoration weggeräumt worden ist, werde ich mit Michael Schlothane Fotos machen. Das ist immer eine ganz besondere Freude das Projekt zu dokumentieren. Das werde ich dann auf jeden Fall mit Euch teilen.
Toller Beitrag!